Buchcover von "Astro Boy" und "Klara und die Sonne"
„[…] seit frühester Zeit hat sich der Mensch eine ihm selbst ähnelnde, lebendige Puppe als seinen Vertreter gewünscht […]“, beginnt der japanische Manga „Astro Boy“ aus dem Jahr 1952* von Tezuka Osamu. Die Geschichte spielt in der Zukunft im Jahr 2003, unserer heutigen Vergangenheit: Ein Wissenschaftler verliert seinen Sohn bei einem Verkehrsunfall (in einem selbstfahrenden Auto). Als Ersatz für das verstorbene Kind erschafft der Professor mittels modernster Technik den Androiden Astro Boy, der seinem Sohn ähnlich sieht. Das hat mich als Kind sehr beeindruckt.
Kürzlich habe ich das Buch „Klara und die Sonne“ gelesen. Der 2021 erschienene Roman von Kazuo Ishiguro ließ mich an Astro Boy zurückdenken. Die titelgebende Figur Klara ist die künstliche Freundin einer Teenagerin.Ihre Aufgabe ist es, den Teenagers so lange zu beobachten, bis sie sie, im Fall ihres Ablebens imitieren und fortsetzen kann. „Es ist nichts in Ihrem Kind, das ein künstlicher Avatar nicht fortsetzen könnte. Sie wird keine Kopie sein. Sie wird exakt dieselbe sein, und Sie haben jedes Recht sie Genau so zu lieben, wie Sie jetzt ihr Kind lieben“, entgegnete der Wissenschaftler den Zweifeln der Mutter.
Siebzig Jahre später geht es also um die selbe Frage. Kann der Mensch künstlich fortgesetzt werden?
Auszug aus dem Manga Astro Boy von Tezuka Osamu, Kapitel "Astro Boys Geburt"
(Anm. Der Manga wird von rechts nach links und von oben nach unten gelesen.)
Sowohl "Klara und die Sonne“ (2021) als auch "Astro Boy“ (1952) geraten dabei an ihre Grenzen.
Astro Boy erweist sich als schnell, stark, überaus intelligent und liebend. Was seinen Vater und Erschaffer zu Beginn begeistert, ernüchtert ihn ebenso schnell, denn er wurde sich eines furchtbaren Fehlers bewusst: Astro Boy konnte natürlich nicht wachsen. Der Professor gerät in Rage: „Also doch nur eine Puppe. Das ist nicht mein Sohn“, brüllt er Astro Boy an und schickt ihn fort.
In "Klara und die Sonne“ kommt der Android zu dem Schluss: „ […] ich habe getan, was ich konnte, um Josie [die Teenagerin] zu lernen, und […] ich hätte alles, alles darangesetzt, sie fortzusetzen. Aber ich glaube, es hätte nicht so gut funktioniert. Nicht, weil ich keine Genauigkeit erreicht hätte. Aber wie sehr ich mich auch bemüht hätte, wäre doch etwas geblieben, das außerhalb meiner Möglichkeiten war; das glaube ich heute. Die Mutter, ihr Freund, die Haushälterin, der Vater. Das, was sie im Herzen für Josie empfanden, hätte ich nie erreicht.“ Was die künstliche Freundin hier anspricht ist die Frage, die beide Werke aufwerfen: Was bedeutet es, ein Mensch zu sein?
Auszug aus dem Manga Astro Boy von Tezuka Osamu, Kapitel "Astro Boys Geburt" (Juni 1975)
(Anm. Der Manga wird von rechts nach links und von oben nach unten gelesen.)
Die Idee von KI-Avataren, die uns unsterblich machen, ist Gegenstand von Spekulationen und Diskussionen unter Futuristen und Experten auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz. Das wirft ethische und philosophische Fragen auf, die wir schon jetzt behandeln sollten. Wenn wir zum Beispiel unser Bewusstsein in einen KI-Avatar hochladen würden, wäre dieser Avatar dann wirklich wir oder nur eine Kopie unserer Erinnerungen und unserer Persönlichkeit? Würden wir dann noch als lebendig im herkömmlichen Sinne gelten, oder wären wir etwas völlig anderes?
Darüber hinaus wirft die Vorstellung von KI-Avataren, die Unsterblichkeit verleihen, die Frage auf, wer Zugang zu dieser Technologie hätte und wie sie geregelt wäre. Wäre sie nur für die Wohlhabenden verfügbar oder wäre sie eine universelle Technologie, die allen zugänglich wäre? Wie würde sie reguliert werden, um Missbrauch zu verhindern?
Obwohl sich "Klara und die Sonne" und "Astro Boy" in vielerlei Hinsicht unterscheiden, nutzen beide Geschichten das Konzept der künstlichen Wesen, um diese tiefgreifenden philosophischen Fragen über Menschlichkeit, Identität und Moral zu ergründen.
*1952 veröffentlichte Osamu Tezuka die erste Episode von "Tetsuwan Atome“ (Astro Boy) im Manga „Shonen“.
Lilli Berger, VYVYT - aktualisiert am 11.05.2023
Buchcover von "Astro Boy" und "Klara und die Sonne"
„[…] seit frühester Zeit hat sich der Mensch eine ihm selbst ähnelnde, lebendige Puppe als seinen Vertreter gewünscht […]“, beginnt der japanische Manga „Astro Boy“ aus dem Jahr 1952* von Tezuka Osamu. Die Geschichte spielt in der Zukunft im Jahr 2003, unserer heutigen Vergangenheit: Ein Wissenschaftler verliert seinen Sohn bei einem Verkehrsunfall (in einem selbstfahrenden Auto). Als Ersatz für das verstorbene Kind erschafft der Professor mittels modernster Technik den Androiden Astro Boy, der seinem Sohn ähnlich sieht. Das hat mich als Kind sehr beeindruckt.
Kürzlich habe ich das Buch „Klara und die Sonne“ gelesen. Der 2021 erschienene Roman von Kazuo Ishiguro ließ mich an Astro Boy zurückdenken. Die titelgebende Figur Klara ist die künstliche Freundin einer Teenagerin.Ihre Aufgabe ist es, den Teenagers so lange zu beobachten, bis sie sie, im Fall ihres Ablebens imitieren und fortsetzen kann. „Es ist nichts in Ihrem Kind, das ein künstlicher Avatar nicht fortsetzen könnte. Sie wird keine Kopie sein. Sie wird exakt dieselbe sein, und Sie haben jedes Recht sie Genau so zu lieben, wie Sie jetzt ihr Kind lieben“, entgegnete der Wissenschaftler den Zweifeln der Mutter.
Siebzig Jahre später geht es also um die selbe Frage. Kann der Mensch künstlich fortgesetzt werden?
Auszug aus dem Manga Astro Boy von Tezuka Osamu, Kapitel "Astro Boys Geburt"
(Anm. Der Manga wird von rechts nach links und von oben nach unten gelesen.)
Sowohl "Klara und die Sonne“ (2021) als auch "Astro Boy“ (1952) geraten dabei an ihre Grenzen.
Astro Boy erweist sich als schnell, stark, überaus intelligent und liebend. Was seinen Vater und Erschaffer zu Beginn begeistert, ernüchtert ihn ebenso schnell, denn er wurde sich eines furchtbaren Fehlers bewusst: Astro Boy konnte natürlich nicht wachsen. Der Professor gerät in Rage: „Also doch nur eine Puppe. Das ist nicht mein Sohn“, brüllt er Astro Boy an und schickt ihn fort.
In "Klara und die Sonne“ kommt der Android zu dem Schluss: „ […] ich habe getan, was ich konnte, um Josie [die Teenagerin] zu lernen, und […] ich hätte alles, alles darangesetzt, sie fortzusetzen. Aber ich glaube, es hätte nicht so gut funktioniert. Nicht, weil ich keine Genauigkeit erreicht hätte. Aber wie sehr ich mich auch bemüht hätte, wäre doch etwas geblieben, das außerhalb meiner Möglichkeiten war; das glaube ich heute. Die Mutter, ihr Freund, die Haushälterin, der Vater. Das, was sie im Herzen für Josie empfanden, hätte ich nie erreicht.“ Was die künstliche Freundin hier anspricht ist die Frage, die beide Werke aufwerfen: Was bedeutet es, ein Mensch zu sein?
Auszug aus dem Manga Astro Boy von Tezuka Osamu, Kapitel "Astro Boys Geburt" (Juni 1975)
(Anm. Der Manga wird von rechts nach links und von oben nach unten gelesen.)
Die Idee von KI-Avataren, die uns unsterblich machen, ist Gegenstand von Spekulationen und Diskussionen unter Futuristen und Experten auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz. Das wirft ethische und philosophische Fragen auf, die wir schon jetzt behandeln sollten. Wenn wir zum Beispiel unser Bewusstsein in einen KI-Avatar hochladen würden, wäre dieser Avatar dann wirklich wir oder nur eine Kopie unserer Erinnerungen und unserer Persönlichkeit? Würden wir dann noch als lebendig im herkömmlichen Sinne gelten, oder wären wir etwas völlig anderes?
Darüber hinaus wirft die Vorstellung von KI-Avataren, die Unsterblichkeit verleihen, die Frage auf, wer Zugang zu dieser Technologie hätte und wie sie geregelt wäre. Wäre sie nur für die Wohlhabenden verfügbar oder wäre sie eine universelle Technologie, die allen zugänglich wäre? Wie würde sie reguliert werden, um Missbrauch zu verhindern?
Obwohl sich "Klara und die Sonne" und "Astro Boy" in vielerlei Hinsicht unterscheiden, nutzen beide Geschichten das Konzept der künstlichen Wesen, um diese tiefgreifenden philosophischen Fragen über Menschlichkeit, Identität und Moral zu ergründen.
*1952 veröffentlichte Osamu Tezuka die erste Episode von "Tetsuwan Atome“ (Astro Boy) im Manga „Shonen“.
Lilli Berger, VYVYT - aktualisiert am 11.05.2023
VYVYT Innovations GmbH 2023